Die abgelegene Insel Værøy bietet auf nur 19 Quadratkilometern alles, was wohl den besonderen Reiz des Lofoten-Archipels ausmacht: Paradiesisch anmutende Landschaften von nahezu bizarrer Schönheit und zauberhafte Ansiedlungen voller romantischer Ursprünglichkeit, die einen einzigartigen Kontrast zum teils morbiden Charme des Verfalls verlassener Plätze bieten. Ein Schmelztiegel an unvergesslichen Eindrücken und Erlebnissen sowie möglichen Aktivitäten und Aus- oder Einsichten – traumhaft schön und nur schwer zu beschreiben.
Kurztrip auf das wildromantische Eiland Værøy
Es ist unfassbar anzusehen, wie sich die offensichtlich hartgesottenen Einheimischen auf der, aus unserer Sicht durchaus bedenklichen Fährüberfahrt die Zeit an Bord vertreiben: Während sich das Schiff gegen die wuchtigen Wellen stemmt und die schäumende Gischt bedrohlich bis an die oberen Fenster schlägt, genießen viele Familien seelenruhig Waffeln aus der Bordküche und die meisten Frauen stricken sogar nebenher – gänzlich unbeeindruckt von dem tobenden Herbststurm.
Wir sitzen hingegen verkrampft auf unseren Plätzen und hoffen mit jedem weiteren Auf und Ab der Fähre, dass die fünfeinhalbstündige Passage von Bodø über Røst nach Værøy bald endet und wir wieder festen Boden unter den Füßen spüren …
Vielleicht war es doch keine so gute Idee, mitten im Oktober auf die Insel inmitten des Europäischen Nordmeeres zu fahren? Schließlich ist die Insel berüchtigt für ihre extremen Witterungsbedingungen, gefährlichen Fallwinde und regelmäßigen Unwetter. So wurde der dort 1986 errichtete Flugplatz bereits im April 1990 wieder geschlossen, als es dort in einem Sturm ein tragisches Flugzeugunglück gab.
Seither lässt sich die Insel nur noch über Norwegens einzige reguläre Helikopter-Route oder mit der täglichen Autofähre erreichen, auf der wir gerade unserer Ankunft entgegenfiebern. Nach Einbruch der Dunkelheit erreichen wir endlich das abgelegene Eiland und trotz des peitschenden Regenschauer machen wir voller Erleichterung das Schild „Væroy Kommune“ mit dem Papageitaucher im Wappen aus.
Papageitaucher – Sommerbesucher auf Værøy
Diese possierlichen Seevögel zieren aus gutem Grund seit 1988 das Hoheitszeichen der Insel, denn sie haben die Insel und ihre Bewohner seit jeher stark geprägt. Früher waren sie für die Insulaner eine essentielle Nahrungsgrundlage und daher züchteten diese bereits im frühen Mittelalter auf Væroy eine eigene Hunderasse mit einigen anatomischen Besonderheiten für die Jagd auf die Lundefugl (norwegisch für „Papageitaucher“) – den Lundehund. Kurzzeitig vom Aussterben bedroht, erfreut sich diese besondere Rasse mittlerweile wieder großer Beliebtheit.
Ebenso, wie die rund 80.000 Papageitaucher, die nach wie vor alljährlich an den steilen Felswänden brüten, inzwischen nicht mehr gejagt werden und seither in den Sommermonaten viele Touristen, Fotografen und Vogelliebhaber magisch anziehen. Einheimische Anbieter offerieren in dieser Zeit erlebnisreiche Bootstouren, um die Reviere der Seevögel auf der Halbinsel Måstadhalvøya vom Meer aus zu beobachten.
In unserem Beitrag “Papageitaucher in Norwegen” erhaltet ihr einen Überblick über weitere Orte und Plätze, wo sich die possierlichen Tiere ebenfalls beobachten lassen. Dazu gibt es einige Fotografie-Tipps für gelungene Aufnahmen.
Wanderung zum Aussichtspunkt Håen
Das Mistwetter vom Vorabend ist am nächsten Morgen vergessen: Über der Insel liegt ein mystischer Hochnebel, der über einer wundervoll herbstlich leuchtenden Landschaft zu tanzen scheint. Die steilen Berghänge strahlen in abertausenden Nuancen von Rot, Gold und Gelb in diesem unwirklichen Zwielicht – ein wahres Feuerwerk der Natur. Perfekte Bedingungen für eine der wohl populärsten Wanderungen – unsere geplante Tour hinauf zum Aussichtspunkt Håen, der aus einer Höhe von 438 Metern ein spektakuläres Panorama über diese unwirklich schöne Landschaft bietet.
Vom Parkplatz im Rømdalen führt die Anliegerstraße „Natoveien“ durch einen alten Tunnel und anschließend über den Bergkamm zu einer stillgelegten NATO-Station auf dem Gipfel. Die Wanderroute folgt größtenteils dieser gut befestigten Strecke. Rund eine Stunde später erreichen wir nach einer entspannten Wanderung schließlich die atemberaubend steile Klippe Håen.
Alle Details, Fakten, viele Bilder und die GPX Daten dieser einzigartigen Wanderung findest du in unserer ausführlichen Tourenbeschreibung: Wanderung auf den Håen
Die schönste Aussicht auf Værøy
Wow! Vor uns liegt das karibikblau schimmernde Meer und bietet einen betörenden Kontrast zu den bunt schimmernden Felsen und Bergformationen, die sich fast furchteinflössend steil über dem Horizont erheben. In schwindelerregender Tiefe tobt direkt unter uns die mächtige Brandung, schlägt rhythmisch gegen die Felsen und schiebt sich in langen weißen Wellen über den feinsandigen Strand Puinn Sand, der nur über das Meer zu erreichen ist.
Dort wurde vor geraumer Zeit eine Höhle mit rund 3000 Jahre alten Felszeichnungen entdeckt – ein imposanter Beleg für die frühe Besiedlung der Insel mit ihren reichen Fischgründen.
Bis heute leben rund 60% der etwa 680 Einwohner vom Fischfang, weshalb der bekannte Trockenfisch noch immer zu den wichtigsten Exportgütern gehört. Daher sind die typischen hölzernen Trockengestelle ebenso allgegenwärtig wie die bunten Fischkutter und das Fischerheim im Hafen von Sørland, der größten Siedlung Værøy´s.
Auf dem Rückweg lassen wir uns Zeit und folgen einigen erkennbaren Wegen über die golden leuchtende Hochebene oberhalb der Felsenklippen. Hier grasen im Sommer auf saftig grünen Wiesen unzählige Schafe – neben der Fischerei eine weitere elementare Lebensgrundlage für die Bewohner von Værøy.
Seeadler mit den Händen fangen?
Allerdings verloren sie in jedem Frühjahr viele Lämmer, die von den unzähligen Seeadlern auf der Insel erlegt wurden. Daher begann man die Seeadler auf brutale Weise zu jagen: An den Berghängen wurden im Geröll steinerne Adlerhäuser, Gruben und Hügel aus Stein mit einer kleinen Öffnung, errichtet, in denen sich die Adlerfänger noch vor Sonnenaufgang versteckten.
Wenn die Adler den davor ausgelegten Köder holten, packten die Adlerfänger durch die Öffnung die Beine des Greifvogels, zogen ihn in die Steinhöhle und brachen ihm das Genick. Die ausgelobten Fangprämien waren zunächst ein gutes Zubrot für junge Männer, die den Adlerfang dann später als traditionellen Sport bis in die 1960er Jahre betrieben.
Seit dem Verbot erinnern heute noch einige gut erhaltene Adlerhäuser – unter anderem auch an unserer Wegstrecke – an diese blutige Historie der Insel. Glücklicherweise werden die majestätischen Seeadler heute nur noch als Fotomotiv gejagt und mit etwas Glück kann man sie ganzjährig auf der Måstad-Halbinsel beobachten.
„Rullestein“ Strand – der besondere Strand auf Værøy
Zurück am Parkplatz folgen wir gleich noch dem kurzen Weg zu einem der schönsten „Rullestein“ Strände Norwegens: In der Bucht Sørlandshagen hat das Meer über Jahrtausende auffallend runde Steine geformt und poliert, die uns an unzählige steinerne Bowlingkugeln erinnern. Oberhalb des Strandes können Reisende in dieser eigentlich unbezahlbaren Umgebung die Nacht im Zelt verbringen und zudem ein kleines Servicegebäude der Kommune nutzen.
Unsere weitere Entdeckungstour auf der Insel Væroy führt uns aber nun zunächst nach Sørland, wo wir uns am Hafen neben dem alten Leuchtturm Værøy Fyrstasjon umschauen.
Im Zentrum der Insel
Im Café Super’n genießen wir anschließend einen leckeren Kaffee und beobachten währenddessen das Kommen und Gehen im benachbarten Lebensmittelladen – dem Einzigen auf der ganzen Insel. In den dünn besiedelten Gebieten Norwegens und auf den Inseln sind diese Geschäfte zugleich Post, Bank, Tankstelle, Imbiss und das Zentrum vieler Aktivitäten sowie des Austauschs untereinander.
Dennoch geht es entspannt zu und das Leben, so weit draußen im Nordmeer, folgt offensichtlich seinem ganz eigenen Takt. Lediglich bei der täglichen Ankunft der Fähre vom Festland, entsteht kurzzeitig etwas Betriebsamkeit, werden Verwandte zum Anleger gebracht oder abgeholt und Lieferungen in Empfang genommen, bevor sich wieder eine eigentümliche Ruhe der Abgeschiedenheit über die Insel legt.
Galerie Insel Værøy
Nordseite von Værøy
Dieser Eindruck verstärkt sich zusätzlich, als wir am nächsten Tag der schmalen Straße Nordlandveien auf die kaum besiedelte Nordseite der Insel folgen. Der Weg führt uns durch den Weiler Breivik – Ausgangspunkt für die markierte Wanderroute auf den höchsten Berg der Insel, den Nordlandsnupen (450 m). Hier steht auch eines der ältesten Holzhäuser von Værøy – der historische Hof Lensmansgården.
Wenige Kilometer weiter stößt man hingegen auf die älteste erhaltene Kirche der Lofoten, die wahrscheinlich ursprünglich 1714 in Kabelvåg gebaut und von dort 1799 nach Værøy gebracht wurde. Der benachbarte Priesterhof bietet heute Übernachtungen in einem historisch urigen Ambiente an und die alte Dorfschule von Nordland (1881) ist heute ein kleines Heimatmuseum.
Der Nordlandveien führt im weiteren Verlauf am stillgelegten Flughafen vorbei und endet an einem kleinen Parkplatz mit einem Servicegebäude neben dem populären Badestrand Skiphalsen.
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Tipps zur Anreise, Highlights entlang der Lofoten, Schlechtes Wetter Tipps sowie einige Empfehlungen rund um das Thema Camping findest du in unserem Lofoten Guide, den du in unserem Shop erwerben kannst….
Wanderung nach Måstad
Ab hier beginnt der historische sechs Kilometer lange Fußweg entlang der Küste zur verlassenen Siedlung Måstad. Es gab niemals eine Straßenverbindung zu diesem schwer erreichbaren Ort, der archäologische Funde zufolge bereits in der Wikingerzeit besiedelt war. Måstad erlebte einst eine regelrechte Blütezeit, die auf den Vogel- und Fischfang zurückzuführen war.
Der Niedergang begann jedoch durch die fehlende Straßenverbindung und den veralteten Hafen, der für größere Schiffe ungeeignet war. 1940 schloss der Dorfladen und kurz darauf die Schule. Immer mehr Einwohner verließen ihre Heimat, um ihr Glück unter anderem in Amerika zu suchen.
Heute erinnern noch einige erhaltene Häuser und Überreste der Ansiedlung an längst vergangene Tage, sodass einen am Ziel der durchaus herausfordernden Wanderung ein leicht mulmiges Gefühl beschleicht. Umgeben von einer zauberhaft geformten Landschaft und inmitten dieser Natur ist der Kontrast zu dem offensichtlichen Niedergang umso eindrucksvoller, ja regelrecht beklemmend.
Wer über eine entsprechende Kondition verfügt, kann von hier aus den 439 Meter hohen Gipfel Måhornet besteigen, von dem aus man bei guten Bedingungen bis nach Røst schauen kann.
Wir kommen wieder …
Für uns geht es nach einer weiteren Übernachtung auf der Lofoten-Insel Værøy mit der Fähre jedoch zurück zum Festland. Vom dortigen Fährhafen setzen wir unsere Fahrt fort, um beispielsweise die zwölf schönsten Strände um Bodø zu erkunden und an der Helgelandskysten zu wandern.
Doch in jedem Fall steht für uns fest, dass wir bei unserer nächsten Reise durch den Norden Norwegens die Insel Værøy erneut besuchen – dann mit etwas mehr Zeit, um auch die versteckten Highlights auf diesem Eiland zu entdecken.
Reiseinformationen / Reiseplanung Insel Værøy
- Mit dem Helikopter: 2 x täglich zwischen Bodø und Værøy: Informationen und Flugzeiten
- Mit der Autofähre: Die Fähren pendeln zwischen Bodø (Festland), Værøy, Røst und Moskenes (Lofoten). Grundsätzlich empfiehlt sich bei der Anreise auf die Lofoten (oder der Abreise) auf der Fährlinie Bodø (Festland) <> Moskenes (Lofoten) ein Zwischenstopp auf der Insel Værøy, die auf einigen Abfahrten angesteuert wird. Auf diese Weise lässt sich die eigentlich relativ teure Überfahrt von den Lofoten zum Festland (oder umgekehrt) kostenlos nutzen, da die Routen zu und von den kleinen Inseln staatlich subventioniert sind. Weitere Informationen findet ihr auf der Webseite der Reederei: Torghatten Nord AS
- Ein Abstecher auf die Insel Værøy lässt sich perfekt mit einer Reise auf der populären Küstenstraße Kystriksveien (Fv17) von oder nach Bodø sowie mit den zahlreichen Highlights auf den Lofoten kombinieren.
- Bensvik Brygge
- Værøy Gamle Prestegård
- Wohnmobil-Stellplatz: Start- und Landebahn des stillgelegten Flughafens auf der Nordseite mit einer nahegelegenen Entsorgungsstation (Kosten seit Juni 2024: 200 NOK pro Nacht)
- Kostenlose Zeltmöglichkeiten mit Servicegebäude: Strand Skiphalsen (Nordseite) und Sørlandshagen (Südseite)
- Lofoten Værøy Bryggehotell
- Cafè Supern
- Lofoten Pub1
- Fahrradverleih: Fru Johansen Kiosk
- Kajakverleih: Bensvik Brygge
- Hervorragende Wandermöglichkeiten durch ein perfekt markiertes Wanderwegenetz
- Pagageitaucher-Beobachtungen mit Guide oder auf eigene Faust in den Sommermonaten (Mai- Juli)
Hallo ihr Beiden,
Vielen Dank für die schönen und informativen Berichte über Nordnorwegen. Wir haben schon viele Berichte von euch als Grundlage für eigene Unternehmungen verwandt.
Wir grüßen von der Insel Væroy und genießen gerade die Aussicht vom Flugfeld.
Gleich brechen wir zur ersten Wanderung auf.
Beste Grüße
Carmen und Volker