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Auswanderer in Norwegen: Interview mit Karin S. über ihre Auswanderung

Titelbild Interview Auswanderer Norwegen Stavanger Gasse

In unserer Interviewreihe “Ausgewandert nach Norwegen” bieten Menschen, die in das nordeuropäisches Königreich ausgewandert sind, tiefe Einblicke in ihre Beweggründe, Herausforderungen und Erfahrungen. Diese Auswanderer teilen ihre persönlichen Geschichten, von der ersten Idee bis hin zur Integration in ihre neue Heimat, und gehen dabei auf verschiedene Themen des alltäglichen Lebens ein.

Erfahre, was sie angetrieben hat, welche Hürden sie überwinden mussten, welche Veränderungen sie heute vornehmen würden und ob sie ihre Entscheidung bereuen. Diese wertvollen Erfahrungen und Ratschläge sind für jeden, der ähnliche Pläne hegt, extrem hilfreich.

Träumst du auch von einem Leben in Nordeuropa? Dann lass dich von diesen Geschichten inspirieren und profitiere von denjenigen, die ihren Traum bereits verwirklichen können.

In diesem Teil unserer Interviewreihe mit Auswanderern stellen wir euch Karin und Thomas vor, die 2008 Deutschland beziehungsweise 2011 Österreich verlassen haben, um an der Westküste in Norwegen einen neuen Lebensmittelpunkt zu finden. Ob sie dort ihr Glück gefunden haben? Wir sind gespannt …

Steckbrief unserer Interviewpartnerin

  • Name: Karin S. (und Thomas K.)
  • Zielland: Sveio bei Haugesund (Vestland, Norwegen)
  • Aufenthaltsdauer in der Wahlheimat: Thomas lebt bereits seit 2008 und Karin seit 2011 in Norwegen
  • Beruf oder ausgeübte Tätigkeit: Krankenschwester und Schlosser

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Was hat dich dazu inspiriert auszuwandern, und warum hast du dich speziell für Norwegen als dein neues Zuhause entschieden?

Ich habe Thomas im Mai 2010 durch das Internet kennengelernt. Er lebte zu diesem Zeitpunkt bereits seit zwei Jahren in Norwegen. Eigentlich hatte ich nie vor auszuwandern, vor allem nicht in den Norden. Unsere erste Begegnung fand statt, nachdem Thomas Fotos von Norwegen auf Facebook geteilt hatte. Ich fand die Bilder so schön, dass ich ihn anschrieb und kommentierte, wie gerne ich auch dort wäre. Daraufhin meinte er einfach: „Na dann komm doch.“

Im September 2010 trafen wir uns dann persönlich in Hamburg und verbrachten drei Wochen zusammen in Deutschland und Österreich. Schon da war mir fast klar, dass ich nach Norwegen ziehen würde. Im Dezember besuchte ich Thomas für eine Woche in Norwegen, im Februar folgte ein dreiwöchiger Aufenthalt, und bereits am ersten April 2011 fuhr ich schließlich mit meinem vollgepackten Auto nach Norwegen.

Was war für dich dann letztendlich ausschlaggebend, tatsächlich nach Norwegen auszuwandern?

Der entscheidende Grund für mich, alles in Deutschland hinter mir zu lassen und nach Norwegen zu ziehen, war Thomas. Unsere Beziehung ist einfach etwas Besonderes, und da erschien es mir richtig, diesen großen Schritt zu wagen und für unsere gemeinsame Zukunft alles Bisherige aufzugeben.

Könntest du beschreiben, wie du dich auf die Auswanderung vorbereitet hast und welche Herausforderungen dabei auftraten?

Die Entscheidung auszuwandern traf ich im Dezember 2010, und bereits im Januar daraufhin habe ich meinen Job gekündigt, um dann im April nach Norwegen zu ziehen. Diese Zeit war unglaublich intensiv und emotional herausfordernd. Es fiel mir schwer, alles und jeden, den ich liebte, zurückzulassen.

Mit meinem vollgepackten Auto trat ich schließlich die Reise an, und beim letzten Blick in den Rückspiegel sah ich meine Mutter stehen – in diesem Moment fragte ich mich ernsthaft, was ich da eigentlich tat. Finanziell war es auch nicht einfach; nach meiner Scheidung im Jahr 2009 hatte ich kaum Rücklagen und kam daher mit gerade einmal etwa 2.000 Euro in Norwegen an.

Alles ging so schnell, aber ich glaube, genau das war auch notwendig. Hätte ich mir mehr Zeit gelassen, hätte ich vielleicht den Mut verloren und wäre diesen Schritt nicht gegangen.

Wie haben deine Familie und Freunde reagiert, als sie von deinen Plänen erfahren haben?

Die Reaktion war eigentlich positiv, begleitet jedoch von einer unglaublichen Traurigkeit, besonders bei meiner Mutter und der restlichen Familie. Nachdem sie Thomas kennengelernt hatten, waren sie jedoch beruhigt und haben meine Entscheidung akzeptiert.

Welche konkreten Herausforderungen traten bei der Umsetzung deines Auswanderungsplans auf, beispielsweise in Bezug auf Wohnungsfindung, Jobsuche oder Sprachbarrieren?

Die ersten Monate meiner Auswanderung nach Norwegen stellten mich vor zahlreiche Herausforderungen. Besonders die Jobsuche ohne Norwegischkenntnisse erwies sich als schwierig. Trotz meiner Qualifikation als Krankenschwester zog sich die Suche nach einer Stelle bis Dezember hin. In dieser Zeit lernte ich intensiv die Sprache und überbrückte finanzielle Engpässe durch Putzjobs.

Zwei Monate nach meiner Ankunft wurde ich von einer schweren Krankheit heimgesucht. Diese Krise stellte nicht nur eine enorme physische Belastung dar, sondern konfrontierte mich auch mit den Grenzen und Herausforderungen des norwegischen Gesundheitssystems. Diese beängstigende Erfahrung stellte mich auf eine harte Probe, offenbarte aber auch die Tiefe und Stärke der Beziehung zwischen Thomas und mir.

Von allen Herausforderungen war jedoch die Bürokratie in Norwegen die größte Hürde. Die Abläufe schienen umständlich und zeitraubend, da für jede Kleinigkeit ein Termin erforderlich war, der wiederum nur unter bestimmten Bedingungen erteilt wurde.

Trotz dieser Schwierigkeiten und der ständigen Angst vor gesundheitlichen Rückschlägen stand Thomas unerschütterlich an meiner Seite. Seine Unterstützung war entscheidend dafür, dass ich diese schwierigen Zeiten überstand.

Hast du dich bereits in Deutschland um einen Job in deiner neuen Wahlheimat bemüht, oder hast du erst am Zielort mit der Arbeitssuche begonnen?

Zwar habe ich mich im Internet ein wenig umgesehen, doch ernsthaft mit der Jobsuche begonnen habe ich erst, nachdem ich in Norwegen angekommen war. Damals dachte ich noch, eine persönliche Vorstellung und Abgabe meiner Bewerbungsunterlagen sei von Vorteil. Doch das war beziehungsweise ist ein Irrglaube, denn oft werden die Unterlagen einfach irgendwo abgelegt, ohne sie an die richtige Person zu leiten, sodass man dadurch leider keine Rückmeldungen erhält.

Basierend auf meiner Erfahrung würde ich jedem, der plant, ins Ausland zu gehen, dringend raten, sich im Voraus gründlich über die Gepflogenheiten bei der Jobsuche und die bürokratischen Abläufe zu informieren, um ähnliche Hindernisse zu vermeiden.

Wie verständigst du dich in Norwegen und kommt man auch gut mit Englisch zurecht?

Mittlerweile spreche ich perfekt Norwegisch, was mir im Alltag natürlich enorm hilft. Zu Beginn meiner Zeit in Norwegen stützte ich mich hauptsächlich auf Englisch und konnte mich dank einiger in Deutschland ausgebildeter Ärzte auch ein wenig auf Deutsch verständigen.

Mit Englisch kommt man in Norwegen sehr gut zurecht; die Norweger sprechen allgemein exzellentes Englisch, sodass die Verständigung problemlos möglich ist. Diese Sprachkenntnisse waren gerade in den ersten Monaten eine große Hilfe für mich. Um jedoch wirklich Teil der Gemeinschaft zu werden und die Kultur vollständig zu erleben, ist das Erlernen von Norwegisch unerlässlich und von großem Vorteil.

Kannst du einige kulturelle Unterschiede zwischen Deutschland und Norwegen beschreiben und erläutern, wie du dich darauf eingestellt hast?

In Norwegen begegnet man einer Kultur, die sich durch Freundlichkeit und Höflichkeit auszeichnet, allerdings auch durch eine gewisse Distanz. Norweger tendieren dazu, unter sich zu bleiben, sind aber gleichzeitig immer bereit zu helfen, wenn Not am Mann ist. Nachdem die Hilfe geleistet wurde, kehrt oft die ursprüngliche Distanz wieder ein. Eine der bemerkenswertesten Eigenschaften der Norweger ist ihre Gutgläubigkeit und ihre positive Lebenseinstellung – sie tendieren dazu, in allem das Positive zu sehen.

Anfangs fiel es mir schwer, mich auf diese Mentalität vollständig einzulassen, doch mittlerweile klappt das ganz gut. Insbesondere die Erkenntnis, dass das Leben leichter sein kann, wenn man sich erlaubt, die Dinge auch mal langsamer anzugehen.

Die Norweger praktizieren das, was man hier als “Livsnytter” bezeichnet – das Auskosten des Lebens in vollen Zügen. Ob es das spontane Grillen im Gebirge oder ein kurzfristiger Trip nach Spanien ist, sie leben nach dem Motto, dass sich jede Gelegenheit zum Genießen lohnt. Diese Einstellung, das Leben in vollen Zügen zu genießen, habe ich erst hier zu schätzen gelernt.

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Hast du dich inzwischen gut eingelebt und fühlst du dich heute integriert?

In vielerlei Hinsicht ja. Mittlerweile habe ich mich mit den Gegebenheiten und Eigenheiten des Lebens hier arrangiert. Es ist mir zwar nicht gelungen, norwegische Freundschaften zu schließen, da die Norweger – wie bereits erwähnt – tendenziell eher unter sich bleiben, aber glücklicherweise haben wir Freunde aus Deutschland und anderen EU-Staaten gefunden.

Diese internationalen Beziehungen haben mein Gefühl der Zugehörigkeit und Integration in dieses Land gestärkt, auch wenn der soziale Kreis nicht vorrangig aus Norwegern besteht.

Sind die Lebensunterhaltungskosten höher oder niedriger als in Deutschland? 

Als ich nach Norwegen kam, waren die Lebensunterhaltungskosten hier deutlich höher als in Deutschland. In den letzten Jahren hat sich das jedoch geändert und Deutschland hat in puncto Kosten offensichtlich aufgeholt.

Es ist tatsächlich erschreckend, wie teuer das Leben in Deutschland geworden ist. Die Lebenshaltungskosten zwischen Norwegen und Deutschland gleichen sich wohl zunehmend an.

Gab oder gibt es Kosten im Umfeld einer Auswanderung die dich tatsächlich überrascht haben?

Für Thomas gab es keine großen Überraschungen, für mich aber schon. Insbesondere die Kosten für Alkohol, Zigaretten und Freizeitaktivitäten wie Kinobesuche oder Restaurantbesuche liegen deutlich über dem, was ich gewohnt war.

Kannst du drei Punkte aufzählen, was dir an deinem neuen Leben in Norwegen am meisten gefällt? 

  1. An erster Stelle steht für mich definitiv die Arbeitskultur. Hier arbeite ich weniger Stunden und erlebe deutlich weniger Stress. Es ist spürbar, dass der Mensch und sein Wohlbefinden im Mittelpunkt stehen.
  2. Wie schon beschrieben, die Lebenseinstellung der Norweger, beeindruckt mich sehr. Diese Philosophie des Lebensgenusses und der Wertschätzung jedes Moments passt sehr zu meiner Vorstellung von einem erfüllten Leben.
  3. Anfangs schienen mir die Möglichkeiten, sich etwas aufzubauen und zu schaffen, größer zu sein als in Deutschland oder Österreich – mittlerweile ist es aber auch hier schwieriger geworden.

Was vermisst du aus Deutschland und was überhaupt nicht?

Karin: Die längeren Arbeitszeiten die ich in Österreich hatte, erscheinen mir jetzt, als ein nicht unerheblicher Teil des Alltagsstresses, den ich gerne hinter mir gelassen habe. Hier in Norwegen zu leben, hat mir gezeigt, dass es möglich ist, produktiv zu sein, ohne dass die Arbeit mein Leben dominiert. Diese Veränderung im Lebensrhythmus ist etwas, das ich besonders schätze und definitiv nicht missen möchte.

Thomas: Was ich definitiv nicht vermisse, ist der Arbeitsstress und der allgemeine Stress, den ich in Deutschland erlebt habe. Das Leben hier in Norwegen ist in dieser Hinsicht viel angenehmer.

Hast du deine beziehungsweise habt ihr eure Auswanderung irgendwann einmal bereut?

Karin: Es gab durchaus Momente, in denen ich Zweifel hatte, besonders wenn es um das Gesundheitswesen geht. In Österreich fühlte ich mich diesbezüglich besser versorgt. Schwieriger finde ich die Anpassung an die norwegische Mentalität. Wir Österreicher sind ein sehr offenes und direkt kommunizierendes Volk, und ich hatte hier anfangs so meine Probleme damit.

Thomas: Ich habe meine Entscheidung, nach Norwegen auszuwandern, nie bereut. Das Leben hier bietet mir genau das, was ich mir immer gewünscht habe – weniger Stress und eine höhere Lebensqualität.

Siehst du dich in 10 Jahren immer noch in deiner Wahlheimat Norwegen? 

Ja, das tue ich. Trotz der Herausforderungen und der Momente des Zweifels habe ich mir hier mit Thomas ein Leben aufgebaut, das ich nicht mehr missen möchte.

Was würdest du Menschen raten, die ebenfalls damit liebäugeln, auszuwandern?

Es ist essenziell, die Sprache des Ziellandes zu lernen. Man sollte nicht davon ausgehen, dass alles automatisch in der neuen Wahlheimat besser ist als im Herkunftsland.

Ich beobachte viele Diskussionen in den Facebook-Gruppen, in denen Menschen aus Unzufriedenheit mit der politischen Lage auswandern wollen. Aber politische und soziale Herausforderungen gibt es überall – auch hier ist nicht alles perfekt. Wichtig ist, mit realistischen Erwartungen an das Abenteuer Auswanderung heranzugehen.

Hand aufs Herz: Würdest du, würdet ihr es wieder tun?

Karin: Ehrlich gesagt, ich glaube nicht. Meine Auswanderung war hauptsächlich durch Thomas motiviert, und obwohl ich diese Entscheidung wegen ihm nie bereut habe, hätte ich diesen Schritt alleine wohl nicht gewagt.

Thomas: Unbedingt. Die Entscheidung, nach Norwegen zu ziehen, war für mich durchweg positiv, und ich würde sie ohne Zögern wieder treffen.

Passende Literatur zum Thema

Großer Ratgeber zum Auswandern: Den Traum verwirklichen

Zu oft lassen wir unsere Träume unbeachtet verwehen. Der Wunsch, in einem fremden Land zu leben, ein neues Kapitel zu beginnen und das Wunderbare von Grund auf neu zu erleben, schlummert in uns. Der Traum von der Auswanderung! Aber warum warten? Träume sollten gelebt werden – warum nicht jetzt?

Im Rückblick: Was würdest du als Auswanderer in Norwegen heute anders machen? 

Das ist tatsächlich eine schwere Frage. Nach reiflicher Überlegung komme ich zu dem Schluss, dass ich eigentlich nichts anders machen würde. Jede Entscheidung, jede Erfahrung hat mich zu dem Punkt gebracht, an dem ich heute stehe, und ich habe aus jedem Schritt gelernt. Selbst die Herausforderungen und Schwierigkeiten waren wertvolle Lektionen, die mir geholfen haben, mich weiterzuentwickeln.

Herzlichen Dank liebe Karin, dass du dir die Zeit genommen hast, um unsere Fragen für die Reihe „Ausgewandert nach Norwegen“ zu beantworten. Deine persönlichen Einsichten und Erfahrungen sind unglaublich wertvoll und werden unseren Lesern bei ihren Auswanderungsüberlegungen sicherlich von großem Nutzen sein. Wir wünschen dir von Herzen, noch viele erfüllende Jahre in deiner Wahlheimat Norwegen.

© Bilder im Beitrag: Aufnahmen von Karin aus ihrer neuen Heimat Norwegen / Titelbild: © Nordlandblog (Stavanger)

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Autor / Autoren:

Conny & Sirko

... schreiben sich hier ihr ewig währendes Fernweh nach dem Norden Europas von der Seele - wenn sie nicht gerade mit ihrem Wohnmobil durch die atemberaubenden Landschaften Nordeuropas reisen, um ihre Erlebnisse und Erfahrungen mit euch in ihrem Nordlandblog zu teilen. Besucht uns gern im Bereich "ÜBER UNS" :)

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