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Ausgewandert nach Norwegen (II): Die Geschichte von Kai & Sandy aus Røros

Titelbild, ausgewandert nach Norwegen - Kai-beim-Angeln

In unserer neuen Interviewreihe mit Auswanderern stellen wir euch fortan regelmäßig Auswanderer vor, die im Norden Europas eine neue Heimat gesucht und zumeist gefunden haben. Mithilfe ihrer Erfahrungen und Empfehlungen lassen sich gegebenenfalls eigene Pläne oder Wünsche leichter umsetzen. Im heutigen Teil erzählen uns Kai und Sandy aus Røros in Norwegen ihre spannende Geschichte “Ausgewandert nach Norwegen”. Wir haben die Beiden 2018 erstmals persönlich kennengelernt und freuen uns daher umso mehr, dass sie im nachfolgenden Beitrag über alle persönlichen Höhen und Tiefen der letzten Jahre berichten:

“Unsere Geschichte begann vor mehr als 20 Jahren. Wir kannten Norwegen bereits von einigen Aufenthalten und Urlauben und glauben, dass wir ohne diese Erfahrungen Norwegen nie als unser mögliches Auswanderungsziel in Betracht gezogen hätten.

Norwegen hat seinen ganz eigenen Charme, eine einzigartige Natur und eine besondere Mentalität, die nicht für Jedermann geeignet ist. Um eine Auswanderung erfolgreich zu planen, sollte man auf die Menschen zugehen können und Norwegischkenntnisse erwerben. Obwohl die Norweger sehr gut Englisch sprechen können, merken sie schnell, ob man sich bemüht, Norwegisch zu lernen, um sich zu integrieren. Oder ob man den einfachsten Weg wählt und wahrscheinlich nur vorübergehend in ihrem Land ist.

>> Sozusagen haben wir einen hilfreichen “Tritt in den Hintern” bekommen. <<

Sandy Götze

Oft hört man den Wunsch auszuwandern, dem deutschen Alltag zu entfliehen und etwas Neues in einem fremden Land aufzubauen. Aber oft genug bleibt es nur ein Traum und man verlässt seine Komfortzone nicht. Wir hatten im Nachhinein Glück, dass uns das Schicksal einen Schubs in die richtige Richtung gegeben hat. Sozusagen haben wir einen hilfreichen “Tritt in den Hintern” bekommen.

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Die Entscheidung

Im Frühjahr 2002 verlor Kai seinen gut bezahlten Job. Nach einigen Monaten der vergeblichen Arbeitssuche in Deutschland begann in Kai der Gedanke zu reifen, in Norwegen neu anzufangen. Eines Abends kam er auf mich zu und sagte: “Wollen wir etwas völlig Verrücktes tun und auswandern?” Da ich in meinem Job nicht wirklich glücklich war, antwortete ich sofort und ohne weiter darüber nachzudenken mit einem “Ja”.

So begann auch schon die Planung. Wir stellten uns wichtige Fragen: Was brauchten wir alles? Wie viel Erspartes war notwendig? Norwegen ist bekannt für seine höheren Lebenserhaltungskosten im Vergleich zu Deutschland und das mussten wir besonders am Anfang berücksichtigen. Wir standen vor der Herausforderung, zunächst einmal Geld verdienen zu müssen, denn gleichzeitig kamen ja Kosten wie Miete, Strom, Telefon usw. auf uns zu. Und ganz oben auf unserer Liste stand das Erlernen der bis dahin fremden Sprache.

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Zu oft lassen wir unsere Träume unbeachtet verwehen. Der Wunsch, in einem fremden Land zu leben, ein neues Kapitel zu beginnen und das Wunderbare von Grund auf neu zu erleben, schlummert in uns. Der Traum von der Auswanderung! Aber warum warten? Träume sollten gelebt werden – warum nicht jetzt?

Norwegisch lernen

Wir wandten uns an die Sprachschule “BTC” in Rostock und suchten das Gespräch mit dem Arbeitsamt, um Fördermittel zu beantragen. Soweit wir wissen, hat die Schule inzwischen ihren Namen geändert und bietet jetzt nur noch Online-Kurse an. Kurz vor Weihnachten 2002 wurden wir zu einem Eignungstest eingeladen, um dann in Rostock glücklicherweise angenommen zu werden.

Jetzt brauchten wir in Rostock nur noch eine Unterkunft für die Dauer des Kurses, der schon am 3. Januar 2003 beginnen sollte. Auch das klappte reibungslos. Zeitgleich beantragten wir noch Reisepässe, um nicht im Anschluß an den Kurs weitere Zeit zu verlieren.

Pferdeschlitten Fahrt in Røros

Die Weihnachtszeit verging wie im Fluge und schneller als gedacht begann das neue Jahr. Am 2. Januar 2003 machten wir uns also auf den Weg nach Rostock und bezogen dort unser Quartier. In der Schule trafen wir auf eine bunte Mischung unterschiedlicher Menschen – einige hatten den festen Wunsch auszuwandern, andere mussten aus verschiedenen Gründen am Kurs teilnehmen z.B. im Rahmen einer Maßnahme vom Amt.

Die Zeit verstrich nur so, und wir nutzten sie nicht nur zum Pauken von Vokabeln, sondern auch zur Vertiefung unseres Verständnisses für die Kultur und Mentalität. Gleichzeitig suchten wir nach Arbeitsmöglichkeiten. Unser Fokus lag dabei speziell auf Stellen an der Küste von Møre og Romsdal, da sich dort zu dieser Zeit der Kern der norwegischen Möbelindustrie befand.

Coverbild Nils Norwegisch lernen

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Der Neustart in Norwegen

So landeten wir auf einer Insel nicht weit von Ålesund und fanden beide Anstellungen in der Möbelindustrie. Unser neuer Arbeitgeber war generell sehr hilfreich, insbesondere bei Dingen wie der Beschaffung der benötigten P-Nummer und der Beantragung von Aufenthaltsgenehmigungen. Den Norwegern liegt prinzipiell viel daran, dass es ihren Mitarbeitern gut geht. Wenn man sich wohl fühlt, arbeitet man besser und bleibt in der Regel im Unternehmen.

Nach etwa zwei Jahren hegte ich den Wunsch, in den Einzelhandel zurückzukehren, und fand schnell eine Stelle im Unternehmen Lidl International, das zu diesem Zeitpunkt noch in Norwegen präsent war. Kai blieb etwa noch ein weiteres Jahr in dem Möbelbetrieb. Als der Betrieb jedoch bekannt gab, seinen Standort wechseln zu wollen, musste sich Kai neu orientieren und so wurde aus dem Möbeltischler ein Tischler und Zimmermann für große Gebäude.

Herausforderungen und Höhen

Es vergingen einige Jahre und nach unserem Eindruck, veränderte sich die Mentalität der Menschen in dieser Region nicht unbedingt positiv. Ich verlor meine Arbeit, da Lidl sich aus Norwegen zurückzog – genau zu dem Zeitpunkt, als wir unseren Sohn bekamen.

Danach konnte ich nur noch kleinere Jobs finden. Kai und einige seiner Kollegen wurden zunehmend von einem Vorarbeiter gemobbt, weil sie sich weigerten, für diese Person unter fragwürdigen Bedingungen zu arbeiten. Leider erhielten sie keine Unterstützung von höherer Stelle. Im Spannungsfeld zwischen Ölboom und der Bankenkrise nahmen Neid und Missgunst unter den Menschen an der Küste bedauerlicherweise immer weiter zu. Einige Regionen des Landes waren sehr schnell zu viel Reichtum gekommen, was sich leider negativ auf die zwischenmenschlichen Beziehungen auswirkte.

Wir begannen uns in unserer Umgebung unwohl zu fühlen. Kai versuchte vergeblich, eine neue Arbeit in der Nähe zu finden, aber seine Bemühungen waren vergebens. Später erfuhren wir, dass der Vorgesetzte all seine Bemühungen sabotierte.

Ostern 2016 buchten wir eine gemütliche Hütte in der Nähe von der alten Bergbaustadt Røros, um einfach mal abzuschalten und an etwas Anderes zu denken. Wir verbrachten dort einen schönen Skiurlaub mit Eisangeln und anderen Aktivitäten. Die Gegend gefiel uns auf Anhieb. Die Natur erinnerte uns ein wenig an unsere alte Heimat in Thüringen mit vielen Wäldern und Seen. Es war einfach herrlich….!!

Ein Neustart in Røros?

Plötzlich kam die Frage auf, was uns eigentlich noch an der Küste hielt. Warum nicht nochmals einen weiteren Neustart wagen? Gesagt, getan – wir machten uns erneut auf die Suche nach Arbeit in dieser Region. Kai fand eine Stelle als Möbeltischler, während ich vorerst in den Einzelhandel zurückkehrte. Im Verlauf des Sommers und Herbstes 2016 verkauften wir unsere Hütte sowie unser Haus und erwarben gleichzeitig ein neues Zuhause in Røros. Wir ließen alles hinter uns, was wir uns in all den Jahren aufgebaut hatten – ein kompletter Neuanfang. Ein stressiger Marathon begann.

Glücklicherweise konnten wir auf die Unterstützung von Freunden und unserer Familie zählen, wofür wir immer sehr dankbar waren und es bis heute sind.

Fazit

Es war sicherlich nicht einfach, besonders am Anfang, in einem fremden Land und ganz auf sich allein gestellt. Plötzlich waren wir zig Kilometer weit weg von unserer Heimat. Die Möglichkeit, sich am Wochenende schnell auf einen Kaffee zu treffen, war passé. Das sollte man bedenken, vor allem wenn das Herz noch stark an der Heimat und der zurückgelassenen Familie hängt. Heimweh kann den Ausgewanderten schnell den Atem rauben, dass haben wir bei Bekannten oft genug erlebt.

Einige haben auch Schwierigkeiten mit der Umstellung auf die norwegische Küche. Oft hört man, dass das Essen anders ist, und ja, es gibt in der Tat Unterschiede. Meist beginnt es mit dem Brot. Einige mögen es, andere nicht. Viele backen ihr Brot selbst, um es herzhafter zu gestalten. Norwegisches Brot enthält oft viel Luft und ist in vielen Fällen etwas süßlich. Die Norweger mögen es gerne süß oder salzig. Sahnekuchen, Marzipan, Hefegebäck oder salzige Lakritze stehen hoch im Kurs.

Norwegen ist unsere Wahlheimat

Wir sind angekommen, fühlen uns hier sehr wohl und planen, hier alt zu werden. Kai arbeitet heute wieder als Möbeltischler und ich als Kauffrau in einem internationalen Konzern. Wir schätzen unsere Arbeit sehr und haben ein schönes Zuhause gefunden. Unser Kind geht gerne zur Schule, und sowohl er als auch wir haben viele Freunde gefunden.

Die Natur bietet uns das ganze Jahr über vielfältige Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung. Wir genießen Spaziergänge, Radtouren, Wanderungen, Schwimmen, Angeln, Kanufahren, das Sammeln von Pilzen und Beeren, die Jagd, Skifahren und noch viele andere Aktivitäten.

Steckbrief unserer Interviewpartner

  • Name: Sandy, Kai und Martin
  • Alter: 43, 54 und 15 Jahre
  • Zielregion: zuerst Region Sunnmøre (13 Jahre) und seit 2016 in Røros (Sør Trøndelag / Norwegen)
  • Aufenthaltsdauer in der Wahlheimat: bereits 20 Jahre
  • Beruf oder ausgeübte Tätigkeit: Kai ist als Möbeltischler tätig und Sandy arbeitet bei Flokk als Kauffrau.

Bilder ohne Wasserzeichen © Sandy und Kai Götze

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Autor / Autoren:

Conny & Sirko

... schreiben sich hier ihr ewig währendes Fernweh nach dem Norden Europas von der Seele - wenn sie nicht gerade mit ihrem Wohnmobil durch die atemberaubenden Landschaften Nordeuropas reisen, um ihre Erlebnisse und Erfahrungen mit euch in ihrem Nordlandblog zu teilen. Besucht uns gern im Bereich "ÜBER UNS" :)

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