Gastbeitrag Geschichte(n)

Auswandern nach Norwegen: Von Aufbruch und Ankommen (Teil 2)

Titelbild zum Gastbeitrag "Ausgewandert nach Norwegen" im Nordlandblog (Auswanderung).

“Die Zukunft hat viele Namen. Für die Schwachen ist sie die Unerreichbare, für die Furchtsamen die Unbekannte und für die Tapferen ist sie die Chance.” Victor Hugo

Blick an einem sommerlichen Tag hinunter ins Øvre Hålandsdalen

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Nachdem ich euch im ersten Teil meiner Geschichte von den ersten Gedanken in Hinsicht auf meine Pläne, nach Norwegen auszuwandern, berichtet habe, soll es heute um die ersten Erlebnisse im “gelobten” Land gehen.

Auswandern nach Norwegen: Von Aufbruch und Ankommen

Ihr kennt das: Man fasst einen Plan, bereitet alles so gut wie möglich vor; und dann wirft einen das Leben Stöcke zwischen die Beine. Ich blieb in meiner Planung zum Auswandern davon natürlich nicht verschont. Einige Wochen vor der geplanten Abreise verlies mich mein Auto und brachte mir damit eine Menge Trubel ein. Aber alles der Reihe nach, denn vorher will ich noch gern erläutern, wo es letztlich nun eigentlich hingehen sollte…

Meine unzähligen Reisen nach Norwegen, in den Jahren vor der eigentlichen Abreise, brachten natürlich einige Bekanntschaften vor Ort mit sich. So lernte ich einen Norweger kennen, der mich widerrum mit einem Ehepaar im norwegischen Eikelandsosen, einem kleinen Ort in der Nähe des Hardangerfjordes, bekannt machte. Dieses illustre Paar (er war damals Mitte 60 und sie, eine Französin, Mitte 20) betreibt in der Nähe des Ortes, im Øvre Hålandsdalen, auf ungefähr 300 Höhenmetern einen ökologischen Bauernhof und suchten damals Hilfe in Form einen Voluntariates.

Wie viele von Euch sicher wissen, gibt es diverse Organisationen, welche junge Menschen in die ökologische Landwirtschaft als Hilfsarbeiter vermitteln. Ich wußte dies damals zwar noch nicht, fand die Idee aber letztlich spannend, bot sie doch die Möglichkeit auch erstmal ohne einen konkreten Arbeitsvertrag in Norwegen anzukommen. Nach etlichen Chats über das Internet waren wir uns relativ zügig einig geworden. Das nahm mir etwas den Druck und ich konnte mich um die bereits genannten Probleme mit dem fahrbaren Untersatz kümmern.

Warum gerade jetzt?

Eben diese Problematik jedoch ließ sich leider nicht so einfach lösen. Die Reparatur meines damaligen Autos hätte den Wert deutlich überstiegen, und nicht zuletzt mein Auswanderungsbudget restlos in Beschlag genommen. Nun war guter Rat teuer, wie man sagt. Nach einigem Hin und Her hatte ich aber die Nase voll und während ich noch einige Taschen packte, rollte ”der Alte” auf einem polnischen Transporter vom Hof. Ich hatte mich entschlossen die Sache pragmatisch anzugehen, und mir einen Opel Corsa B Baujahr `93 gekauft. Keine Airbags, keine Servo und 45 PS. So sollte es nach Norwegen gehen.

Zur Ehrenrettung des Kleinen muss gesagt sein, daß sein technischer Zustand besser war, als der des nun nach Polen exportierten. Einige kleine Reparaturen später war der Corsa klar und es ging los. Ich entschied mich damals für die Route über den Fährhafen Hirtshals nach Kristiansand. In meinen vielen Touren nach Norwegen war ich tatsächlich erst einmal im norwegischen Vestlandet gewesen, weshalb ich auch genau plante wie ich fahre. Anstatt an der Küste via Stavanger Bergen zu erreichen, entschied ich mich, nach einem ausführlichen Kartenstudium, zur Fahrt quer durchs Land. Es begann also und nach endlosen Stunden auf der deutschen Autobahn, erreichte ich Hirtshals und wenig später auch Kristiansand. Das Abenteuer konnte beginnen.

Auf der Fahrt in das Vestlandet (Norwegen)

Wer den Weg von Kristiansand hin zur westnorwegischen Fjelllandschaft kennt, der weiß um die Schönheit dieses Landstriches. Da ich im Grunde alle Zeit der Welt hatte, pausierte ich oft und ging auch kleinere Touren in die Wälder. Es war Mai, also schon relativ warm und schneefrei in einigen Gegenden, was ich gleich ausgiebig nutzte.

Der “Kleine” auf dem Haukelifjell

Da die veranschlagte Fahrzeit von Deutschland bis zum Ort Eikelandsosen 23 Stunden (ohne Pause) betrug, zeltete ich einmal unterwegs im Wald. Aber: trotz aller Natur musste ich ja aber auch irgendwann mal ankommen. So fuhr ich nach der Übernachtung im Wald halbwegs wach, über den Haukelifjell und Odda nach Eikelandsosen. Dort machte ich das erste Mal Erfahrung mit dem, was die Norweger Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit nennen.

Noch während ich mit dem Auto auf dem Weg war, hatte ich nämlich meine künftigen Chefs angerufen und mitgeteilt, wann ich da sein werde. Man versprach mir dann am vereinbarten Treffpunkt zu warten, um mich zum Hof in den Bergen zu geleiten. Abgemacht! Dumm nur, als ich ankam war niemand da und ich musste eine Stunde warten, bis ich jemanden überhaupt telefonisch erreichen konnte. Aufgrund der langen Fahrt und einer Nacht im Zelt war das natürlich nicht so toll.

Irgendwann aber erschien eine ältere Dame, welche auch gleich zielstrebig auf mich zustürmte, mich umarmte und in, mit französischen Akzent unterlegtem Englisch fragte, ob ich der Thomas sei. Ich bejahte und sie lachte und plapperte drauflos. Ein Energiebündel traf auf einen von Übermüdung geplagten Thomas, der plötzlich auch noch Englisch sprechen mußte. Wir wurden aber schnell warm und fuhren zum Hof, welcher sich, wie erwähnt, tief im Øvre Hålandsdalen versteckte.

Bild vom Hålandsdalen in Norwegen in dem Bericht vom Auswandern.
Eine beeindruckende Landschaft: Blick auf das Hålandsdalen

Kurz vor dem Ziel

Øvre Hålandsdalen, aber auch Eikelandsosen selbst, das war sofort zu sehen, sind keine typischen Orte, an denen sich Touristen aufhalten. Wir fuhren vom Treffpunkt aus einige Kilometer Richtung Hardangerfjord, bevor wir links abbogen. Dann wand sich die nun schmale, teils schlechte, Straße lange um Seen, Bauernhöfe und kleine Ansiedlungen herum, den Berg hinauf. Es schien kein Ende zu nehmen und auch Häuser waren weniger und weniger zu sehen. In diesen Gegenden, der bewanderte Norwegen-Reisende weiß das, ist auch der Winterdienst, wenn man das so nennen kann, nicht immer zugegen, zumal diese Arbeit meist von örtlichen Bauern ausgeführt wird.

Und so wurde auch die Straße mit zunehmender Höhe auch zunehmend eisiger und wenn ich schreibe „eisiger“, dann meinte ich wirklich stellenweise blankes Eis, welches mich mitunter an den Rand meiner Fahrkünste führte. Der Bauernhof, so erfuhr ich später, liegt bei knapp unter 300 Höhenmeter auf einem Gebirgsausläufer des 823 Meter hohen Våkefjell. Eine unfassbar malerische Landschaft, fernab der Zivilisation mit weit verstreut liegenden Gehöften, massiven Gebirgskämmen und viel viel Wald.

Mein Hund Frigga in Hordaland (Norwegen)
Frigga liebt die Region ebenso…

Während der Anfahrt aber hatte ich wenig Muse mich der Landschaft zu erfreuen. Trotz neuer Winterreifen hatte ich immense Probleme die letzten Meter bis zum Hof zu kommen. Von der zuvor asphaltierten Straße ging ein besserer Feldweg nach links hinauf, der im Grunde nur aus einem bestand: Eis. Meine Führerin war in ihrem allradgetriebenen Subaru längst weg, während ich versuchte über das Eis zu kommen. Drei Anläufe später jagte ich den kleinen Corsa aber den Berg rauf und schlitterte vorbei an allerlei Gerätschaften, welche man auf einem Bauernhof so findet, dem Wohnhaus entgegen.

Der Herr des Hauses war nicht da, was ich ja bereits wußte. Ich nutze die Zeit, um mir ein Bild der Lage zu verschaffen. Mir wurde schnell bewußt, daß ich es sehr gut getroffen hatte.

Das Haus war ein sogenanntes Småbruk. So bezeichnen die Norweger die kleineren Bauernhöfe, welche meist aus einem Wohnhaus, einer in der Nähe gelegenen Hütte und einer Scheune bestehen. Alles war recht alt, aber doch nicht heruntergekommen.

Das “alte Norwegen”

Blick ins Hålandsdalen bei meiner Ankunft

Hier traf ich zum ersten Male auf das „alte Norwegen“, wie es der Hausherr, Bjørn, später im Gespräch nannte. Die Türen waren grundsätzlich nicht verschlossen, egal ob jemand Zuhause war oder nicht. Dasselbe galt für die Fahrzeuge, vom Traktor bis hin zum privaten PKW. Mitunter kam es vor, daß einer der benachbarten Bauern vorbeikam, sich selbstgemachten Wein aus den immens großen Weinballons im Keller abfüllte und mit einem der Traktoren des Hofes wieder verschwand.

Mich irritierte das Anfangs natürlich, schloß ich doch Haus und Auto immer brav ab, was wiederum irritierte Blicke von Björn hervorrief. Aber ich lernte schnell, daß die Menschen sich hier, außerhalb der urbanen Siedlungsräume, alle gegenseitig kennen, helfen und soweit möglich auch unterstützen. Eine Gemeinschaft, in die ich später gut und schnell integriert wurde. Aber dazu später etwas mehr.

Ankommen…

Einige Stunden später, es war schon Abend und ich hatte ein Zimmer bezogen, kamen dann auch die beiden Besitzer an. Die Begrüßung war herzlich und es wurde selbstgemachter Wein und ein sagenhaft guter Elcheintopf aufgetafelt. Der Abend endete in guten Gesprächen mit geistigen Getränken. Eins war klar: hier konnte man sich wohlfühlen und ein wenig bleiben. Oder vielleicht doch länger?

Hålandsdalen in der Region Hordaland (Norge).
Das Hålandsdalen in seiner atemberaubenden Schönheit an einem Sommertag

Einige Impressionen von der Feldarbeit im sommerlichen Hålandsdalen:

Coverbild Nils Norwegisch lernen

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Autor / Autoren:

Thomas Villmannen

Norgesvenn, Träumer, Reisender und schreibwütiger Sachse, der seit 2013 im norwegischen Vestlandet ein Zuhause fand.

1 Kommentar

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  • Guten Tag Villmannen
    Ich heiße Giovanni und komme gleich zur Sache. Ich lebe in Deutschland wo ich mich gerade sehr schwer tue, deshalb möchte ich von Deutschland weg. Mein Wunsch wäre in der Landwirtschaft zu arbeiten, Norwegen ist meines achtens der beste Platz dafür um ein neu Anfang zu machen. Vielleicht können Sie mir netterweise weiter helfen.
    Gruß. Giovanni