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Gedanken zu unseren Reisen: Wir sind immer nur zu Gast…

Titelbild Gedanken zum Reisen - Brief aus Island (Nordlandblog)

Ein Brief aus Island, der uns nicht mehr loslässt

Island gehört sicher mit zu den Ländern in der Welt, die sich auf besondere Weise den Herausforderungen durch stetig steigende Besucherzahlen stellen müssen. Mit den weltberühmten Sehenswürdigkeiten und Attraktionen wie der Blauen Lagune, dem Geysir, seinen Gletschern und den gigantischen Wasserfällen lockt es jährlich mehr und zunehmend einen anderen Typus Touristen an. Im Kontrast zwischen dem teilweise sehr ursprünglichen, ruhigen Land und den geballten Massen an Touristen in der Nähe der populären “Instagram”-Hotspots haben wir uns ebenfalls viele Gedanken gemacht.

Als Reiseblogger sind wir ohnehin wohl mehr Teil des Problems als Teil der Lösung und für das Thema Overtourism sensibilisiert. Umso mehr hat uns ein Brief berührt, den wir dann auf unserer Rundreise durch Island auf dem Grundstück eines abgelegenen Bauernhofes fanden. Neben einigen Erklärungen zu den Sehenswürdigkeiten auf seinem Gelände hatte der Besitzer in verschiedenen Sprachen den folgenden Text befestigt, der uns sehr, sehr nachdenklich zurückließ, da er mit einfachen und zugleich eindringlichen Worten seine Gastfreundschaft als auch seine Wünsche an die Besucher zum Ausdruck bringt:

Bauernhof Island am Meer Nordküste
Ursprüngliche raue Schönheit an Islands Nordküste

Ein Brief an dich! 

Hast du den Tanz der Nordlichter an einem dunklen Winterabend gesehen? 

Hast du in der klaren Frühlingsluft gestanden und dem Konzert der Vögel gelauscht? 

Hast du im Heidekraut gesessen, den Duft der Pflanzen eingeatmet und die Farbenpracht des Herbstes bewundert? 

Hast du das Leben im Gras beobachtet, bist am Strand spaziert, hast Steine springen lassen, Forellen gefangen oder die daunenweichen Eiderküken gestreichelt? 

Hast du dein Uhr an einen Elfenhügel gelegt und den Gesang des verborgenen Volkes gehört, die Zwerge unter den Steinen kennengelernt, die Spuren des sagenumworbenen Meerschafes in der ersten Schneebleiche des Herbstes verfolgt oder die Rufe der Trolle vernommen, während die Brandung unter bleigrauem Himmel verebbte? 

All dies und noch viel mehr sind die Vorrechte derer, die hier leben. Vorrechte, die den Besuchern ebenfalls offen stehen und die nichts kosten. Blase auf den Blättern das Schilfgrases, hüpfe das Hopsespiel, geh zum Fußball oder zum Schwimmen. Ja, genieße das Leben wie ein Kind. Du bist im Märchenland in Strandir. 

Seit 130 Jahren hat auf unserem Land in Húsavík dieselbe Familie gelebt. Eine Generation hat die andere abgelöst und ihr Wissen an die nächste weitergegeben. Wir, die hier leben und arbeiten, sind ganz wie andere Leute. Wir werden geboren, wir lieben und sterben. Männer, Frauen und Kinder. Wir arbeiten und hoffen, dass das Land, das wir übernommen haben, sich unseren Kindern als noch besser und freigiebiger erweisen wird. 

Und ich kenne dieses Land, weiß in welchen Hügeln das verborgene Volk lebt, wo die Felsen Ihre schönsten Farben tragen, wo die Bachstelze ihr Nest hat, ich habe den Frühlingsduft der See eingeatmet. Ich habe bei Mitternacht im Nebel gelegen und auf den Polarfuchs gewartet. Und ich habe auch an Spätsommerabenden auf der Hauswiese gestanden. Es dämmert früh, die Küstenseeschwalben sind verstummt, abgeflogen. Ich empfinde beides, Dankbarkeit und Trauer. Ringsum finden sich Zeichen für das Zusammenleben des Menschen mit dem Land, des Zusammenlebens des Landes mit den vergangenen Generationen. 

Lieber Leser! Sei herzlich willkommen und genieße den Aufenthalt bei uns. Wir wissen, dass du und die deinen unser aller Land mit Vorsicht und Sorgfalt behandeln werden. Wir gehen auch davon aus, dass du unsere Arbeit, die Arbeit derer, die hier leben, respektieren und und gerecht bewerten wirst. Und aus vollem Herzen hoffen wir, dass der Zauberkeim des Märchenlandes Strandir dich berühren und in die Gruppe derer einreihen wird, die diese Vorrechte genießen. Mögest du wohlbehalten nach Hause gelangen und bald wiederkommen.”

Natur und Landschaft Berge im Abendlicht
Die Berge “glühen” in Island im Abendlicht

Wir waren und sind immer noch sehr berührt von diesen Zeilen, denn diese Worte drücken auf sensationelle Weise aus, worum es in Zeiten von immer mehr Reisenden und Touristen in der ganzen Welt geht: Ein respektvolles, zurückhaltendes und rücksichtsvolles Verhalten als Gast derer, deren Heimat wir besuchen und deren tägliches Leben wir mit unserem Besuch beeinflussen. Sind wir nicht alle jeden Tag nur zu Gast…? Was meint ihr ?


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Autor / Autoren:

Conny & Sirko

... schreiben sich hier ihr ewig währendes Fernweh nach dem Norden Europas von der Seele - wenn sie nicht gerade mit ihrem Wohnmobil durch die atemberaubenden Landschaften Nordeuropas reisen, um ihre Erlebnisse und Erfahrungen mit euch in ihrem Nordlandblog zu teilen. Besucht uns gern im Bereich "ÜBER UNS" :)

4 Kommentare

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  • Ja, Ihr habt Recht, viele wollen nur die Highlights abhaken und dabei vor allem reichlich essen und trinken. All inklusive heißt das Zauberwort und war dann meistens auch das beste am Urlaub.
    Ihr macht übrigens einen super tollen Blog, aber das wißt Ihr natürlich selbst.Nochmals liebe Grüße Sylvia

    • Vielen Dank Sylvia… 🙂 Wir können an der Stelle zumindest versprechen, weiterhin wie bisher zu reisen und unsere Erlebnisse, Erfahrungen sowie die Inspirationen hier mit unseren Lesern zu teilen. Es ist schön, dass du dabei bist.
      Liebe Grüße und bis demnächst mal wieder,
      Conny und Sirko

  • Ja, wenn ich die Kreuzfahrtschiffe sehe, deren Gäste oft wie eine Heuschreckenplage über eine Region herfallen, dann habe ich schon den Eindruck, dass der Respekt vor den Menschen, die dort leben, längst verloren gegangen ist. Auch Behutsamkeit im Umgang mit der Natur kann ich nicht erkennen. Das kann auf die Dauer nicht gut gehen.

    • Hallo Sylvia,
      in der Tat hat sich das Reisen und der Tourismus in den letzten Jahren nicht nur in der Quantität sondern eben (leider) auch in der Qualität verändert: Es geht heute offensichtlich und zunehmend darum, innerhalb kurzer Zeit möglich viele Highlights zu sehen, eine ToDo Liste abzuhaken und ohne Rücksicht auf Land, Natur und Leute möglichst viele perfekte Urlaubserinnerungen “einzusammeln”. In der Tat kann es nicht gut gehen und wir sehen das mit großer Sorge – wohlwissend und ganz selbstkritisch anerkennend, dass wir zumindest im Kern ein Teil des Problems sind. Dennoch versuchen wir, unseren Gastgebern etwas zurückzugeben, wie zum Beispiel Müll-Beräumungsaktionen am Strand oder ähnliches.
      Vielen Dank für dein nettes Feedback und wir schauen mal, ob andere Leser sich ebenfalls (ähnliche) Gedanken dazu machen. Vielleicht können wir ja zumindest mit diesem Beitrag dafür sensibilisieren.
      Liebe Grüße,
      Conny und Sirko