Wer von Jondal hinauf zum ewigen Eis des Folgefonna Gletschers aufbricht, erlebt in kurzer Zeit eine der eindrucksvollsten Landschaftswechsel Norwegens. Auf nur 19 Kilometern überwindet die Folgefonna Gletscherstraße, auch bekannt als Folgefonna Glacier Road, knapp 1200 Höhenmeter – von den Obstgärten am Ufer des Hardangerfjords bis an den eisigen Rand des Folgefonna Gletschers. Die Strecke durchquert eine gewaltige Naturkulisse, die über Jahrtausende vom Gletscher geprägt wurde und die eine Fahrt auf dieser Straße zu einem unvergesslichen Erlebnis macht.
Bevor Straßen und Autos das Reisen veränderten, war der Hardangerfjord die wichtigste Verbindung zwischen den Dörfern an seinen Ufern. Bootsbau, Seefahrt und Handel prägten daher das Leben um den Fjord und sind bis heute tief mit der Identität der Region Hardanger verbunden.

Doch nach und nach boten sich neue Möglichkeiten, die Ansiedlungen über Straßen, Tunnel oder Brücken zu erreichen und so auch entlegene Regionen zu erschließen. Höhenmeter um Höhenmeter wurden so Zugänge in die alles überragende Bergwelt, in bislang abgeschiedene Hochtäler und sogar bis an das ewige Eis des Folgefonna Gletschers geschaffen.
Die Folgefonna Gletscherstraße ist ebenso wie der abenteuerliche Aursjøvegen oder die imposante Atlantikstraße ein eindrucksvoller Beleg dafür und zugleich ein Symbol norwegischer Straßenbaukunst.

Anreise und Lage: Nationalparkdorf Jondal am Hardangerfjord
Die Straße und damit die Fahrt zum ewigen Eis beginnt direkt in Jondal, am Südufer des Hardangerfjords. Jondal ist der einzige Ort in Norwegen, von dem aus man mit dem Auto direkt bis an den Rand eines Gletschers gelangt. Rund 20 Minuten dauert die Fahrt vom Ortszentrum bis zur Gletscherkante.

Wer von Bergen oder Norheimsund anreist, erreicht Jondal bequem mit der Fähre von Tørvikbygd. Die Überfahrt über den Hardangerfjord dauert nur rund 20 Minuten. Unweit vom Fähranleger in Jondal befindet sich die Brücke über den Fluss Mundheimselvi – hier zweigt an einem Wegweiser die Folgefonna Gletscherstraße (Fv 105) ab.
Alternativ ist Jondal auch auf dem Landweg erreichbar, etwa über Odda und das Sørfjorden-Tal oder über die schmale, landschaftlich beeindruckende Strecke von Rosendal durch das Åkrafjord-Gebiet. In Jondal angekommen, orientiert man sich ebenfalls in Richtung Zentrum, bis man ausgewiesene Abzweigung zur Gletscherstraße erreicht.

Etappe um Etappe auf der Folgefonna Gletscherstraße
Die Folgefonna Gletscherstraße ist in verschiedene Etappen unterteilt, die sich als Hinweisschilder im Verlauf der Strecke wiederfinden. Diese markieren zugleich die erreichte Höhe über dem Meeresspiegel. Folgerichtig beginnen wir unsere Fahrt im Dorf:
4 Höhenmeter: Dorf (Village)
Das eher beschauliche Jondal trägt seit einigen Jahren den offiziellen Titel Nationalparkdorf – ein Prädikat, das in ganz Norwegen nur sechs Orte führen dürfen. Nationalparkdörfer zeichnen sich durch ihre nachhaltige Entwicklung, ihren besonders guten Zugang zum Nationalpark, vielfältige Übernachtungsmöglichkeiten und ein breites Angebot an Naturerlebnissen aus. Gleichzeitig pflegen sie eine lebendige lokale Kultur und Tradition.

Das Ortsbild ist geprägt von zumeist weißen Holzhäusern im Schweizer Stil mit markanten Steindächern, gepflegten Obstgärten und schmalen Gassen, die sich durch den kleinen Ort schlängeln. Trotz der überschaubaren Größe findet man hier alles, was man braucht: einen Supermarkt, einige Badestellen sowie das Besucherzentrum Juklafjord. Hier gibt es für Reisende aktuelle Informationen, Tourentipps, Wanderkarten sowie Leihmöglichkeiten für Fahrräder, Kajaks, Kanus und Boote. Auch geführte Gletscherwanderungen lassen sich hier buchen.
80 Höhenmeter: Tal (Valley)
Nach dem wir Jondal verlassen, steigt die Straße zunächst nur sanft an und führt durch das langgezogene Krossdalen. Hier wird Landwirtschaft betrieben, Kühe und Schafe weiden auf den saftig grünen Wiesen. Zugleich laden zahlreiche Wanderwege dazu ein, die Umgebung zu Fuß zu erkunden.

Etwa acht Kilometer hinter Jondal befindet sich eine Mautstation. Hier waren bislang für die Nutzung der Gletscherstraße 120 norwegische Kronen zu entrichten (Online-Bezahlung). Diese Maut ist aber derzeit (Stand: September 2025) ausgesetzt und wird bis auf Weiteres nicht erhoben.

Bis zur Mautstation bleibt die Landschaft sanft und offen – ein entspannter Auftakt für das, was noch kommt.
849 Höhenmeter: Bergwelt (Mountain)
Nach der Mautstation verändert sich das Bild. Die Straße steigt nun stärker an, die Vegetation wird lichter und die Serpentinen lassen erste Blicke zurück ins Tal zu. Um uns herum tritt immer deutlicher eine faszinierende Bergwelt in den Vordergrund. Diese wurde über Jahrtausende hinweg von den Eiszeiten geformt. Die steilen, schroffen Formen der Berge sind das sichtbare Ergebnis dieser gewaltigen Kräfte.

Plötzlich spüren wir, wie uns die Ruhe und Abgeschiedenheit dieser Landschaft einnimmt. Unser Blick wandert über Gipfel und Täler, über das Blau des Fjords bis hin zum Horizont. Das Gelände ist nun durchweg bergig und felsig, aber dennoch gut erschlossen.
Besonders eindrucksvoll ist der Wandel der Vegetation: Je näher wir dem Folgefonna Gletscher kommen, desto karger und ursprünglicher wird die Landschaft.

1004 Höhenmeter: Seen (Lakes)
Im oberen Abschnitt der Strecke passieren wir größere Gletscherseen und zahlreiche kleine Bergseen, die wie Spiegel in der Landschaft liegen. Hier dominieren Ruhe und Abgeschiedenheit. Stress und Alltag scheinen weit weg, irgendwo dort im Tal, 1000 Meter unter uns …

Die Seen rund um den Gletscher gelten als „grüne Batterien Europas“. Sie werden reguliert und dienen so mit ihrer gewonnenen Energie aus Wasserkraft als wertvolle Energiespeicher. Dennoch sind die Seen auch Rückzugsorte für Naturliebhaber. Kajakfahrer gleiten gern über die ruhigen Wasserflächen, Angler schätzen die fischreichen Gewässer und im Frühjahr wagen sich sogar Freestyle-Skifahrer auf die glatten Flächen.





1199 Höhenmeter: Gletscher (Glacier)
Wir können uns in der immer offensichtlicheren Abgeschiedenheit kaum vorstellen, dass wir am Ende der Straße noch einen großen Parkplatz oder überhaupt ein Gebäude erreichen sollen.

Und doch – nach den letzten Metern befinden wir uns plötzlich auf einem Plateau. Hier endet die Straße mit einem direkten Blick auf den Folgefonna, Norwegens drittgrößten Gletscher.

In Summe besteht der Folgefonna Gletscher aus drei Plateaugletschern auf der gleichnamigen Halbinsel in der Hardanger‑Region. Seine Gesamtfläche beträgt rund 207 km², wovon der vor uns liegende südliche Folgefonna Gletscher allein etwa 167 km² einnimmt.

Aktuelle Lage am Gletscher und Aktivitäten
Der Skilift am Folgefonna ist außer Betrieb. Aufgrund der fortschreitenden Gletscherschmelze besteht derzeit akute Einsturzgefahr, weshalb das Gelände rund um die alte Lifttrasse abgesperrt wurde. Der Zugang zum Eis des Folgefonna ist in diesem Bereich aus Sicherheitsgründen derzeit nicht möglich.
Es finden aber weiterhin geführte Gletscherwanderungen mit angepasster Routenführung statt. Auch andere Aktivitäten in der Region sind weiterhin möglich:
- Geführte Gletscherwanderung (“Blue Ice Hike” – mehrstündige Tour mit Steigeisen und Sicherung)
- Panorama Glacier Hike – leichte Wanderung bis an die Gletscherkante (ohne Betreten des Eises)
- Radtour auf der Glacierroad – Fahrräder können in Jondal ausgeliehen werden
- Private Touren & Spezialführungen – für Fotografen oder Kleingruppen
- Zur Webseite des Veranstalters: Folgefonni Breførarlag

Hinweis zum Café Fonna 1199
Das Café Fonna 1199 am Gletscherplateau ist derzeit geschlossen (Stand: September 2025). Grund dafür ist die Insolvenz des bisherigen Betreibers. Derzeit wird nach Lösungen zur Wiedereröffnung des Ski-Ressorts gesucht.
Der Shop vom Folgefonni Breførerlag ist jedoch weiterhin während der entsprechenden Saisonzeiten geöffnet und bietet neben einigen Souvenirs und einem kleinen Kaffeeangebot auch Informationen über den Gletscher sowie die bereits aufgezählten Aktivitäten.

Fazit: Kompakt, kontrastreich, eindrucksvoll
Die Folgefonna Gletscherstraße ist längst kein Geheimtipp mehr und gehört inzwischen zu den eindrucksvollsten Panoramastraßen Norwegens. Die landschaftliche Vielfalt während der Fahrt vom Fjord, vorbei an Almwiesen und Bergseen, hinauf bis an die Gletscherkante macht den Abstecher zu einem unvergesslichen Erlebnis.
Dabei ist es nebensächlich, ob man die Route mit dem Auto, dem Fahrrad oder sogar zu Fuß zurücklegt. In jedem Fall sind landschaftlich gewaltige Eindrücke garantiert.


Der Folgefonna Nationalpark wurde im Jahr 2005 von Königin Sonja persönlich eröffnet. Seitdem steht die gewaltige Gletscherregion rund um den Folgefonna Gletscher unter besonderem Schutz. Der Folgefonna Nationalpark erstreckt sich über 545 Quadratkilometer und umfasst dabei nicht nur den Gletscher selbst, sondern auch die angrenzenden Hochtäler, Wasserläufe und bewaldeten Hänge der Halbinsel zwischen Sørfjorden und Maurangerfjord.
Ziel des Nationalparks ist es, ein weitgehend unberührtes Stück westnorwegischer Natur mit all seinen ökologischen, geologischen und kulturellen Besonderheiten zu bewahren. Die Bandbreite reicht dabei von historischen Almen und lebendigen Fjorddörfern bis hin zu hochalpinen Gletscherplateaus. Flüsse, Wasserfälle und klare Gletscherseen dominieren dabei die Landschaft, die über Jahrtausende von Eis und Wasser geformt wurde.
Im Park finden sich seltene Pflanzenarten wie Purpur-Enzian, Bergfarn oder Zwergweiden. In den Wäldern und an den Hängen leben Rothirsche, Steinadler, Schneehühner.
Weitere Zugänge zum Nationalpark Folgefonna bestehen unter anderem in Odda auf der Wanderung zum Buarbreen oder unweit von Rosendal auf der Wanderung zum Svelgabreen.

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