In Schwedens hohen Norden, nördlich des Polarzirkels, nördlich von allem, was man in Schweden kennt, liegt der Kebnekaise, der höchste Gipfel des Landes. 2097 Meter hoch erheben sich die beiden Gipfel des Kebnekaise über das Tarfala-Tal sowie die umliegenden Berge und Hochplateaus. Auch wenn es ihm etwas an Anmut und Prägnanz im Vergleich zu den Alpen oder anderen europäischen Gebirgen fehlt, gehört er zu meinen absoluten Favoriten. Deswegen habe ich mich inzwischen bereits zwei Mal auf den Weg gemacht, um diesen Berg zu bezwingen.
Wie bereits erwähnt, hat der Kebnekaise gleich zwei Gipfel. Der Südgipfel musste erst im letzten Jahr den Titel des höchsten Berges Schwedens an den Nordgipfel abgeben. Die dicke Eisschicht, die den Südgipfel lange Zeit bedeckte, schmolz durch die Erderwärmung so weit ab, dass nunmehr der felsige Nordgipfel als höchster Punkt Schwedens gilt.
Die Anreise in die Region um den Kebnekaise
Wer diese abgelegene Region im Norden Schwedens besuchen möchte, sollte frühzeitig mit den Planungen beginnen. Bei einer Anreise mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fliegt man über Stockholm nach Lulea und fährt von dort aus mit dem Zug nach Kiruna. Ab Kiruna geht es weiter mit dem Bus nach Nikkaluokta, zum zweitletzten Posten der Zivilisation vor der Bergregion um den Kebnekaise.
Der Bus ist voll mit anderen Wanderern. Perfekt, denn so kann man sich sehr gut über viele Trekking-Touren und damit weitere Abenteuermöglichkeiten in der Region austauschen. Die Gebirgsregionen im Norden sind bei den Schweden sehr beliebt. Viele Einheimische verbringen gern ihre Sommerwochenenden in der Kebnekaise Region, um vom Alltag abzuschalten und beim Wandern zu entspannen.
Der erste Teil der Wanderung
In Nikkaluokta angekommen, geht es von nun an zu Fuß weiter. Es besteht zwar wohl auch die Möglichkeit, die ersten Kilometer der Strecke mit einem Boot abzukürzen. Allerdings habe ich diese Variante bisher nicht getestet und kann deshalb hierzu keine Empfehlung abgeben.
Nach etwa 4 bis 5 Stunden zu Fuß kommt man schließlich an der tatsächlich letzten Station vor den eigentlichen Wanderrouten an. Es ist ratsam, hier das letzte Mal seine Proviant-Vorräte aufzustocken. Natürlich für das nötige Kleingeld und zu entsprechend höheren Preisen, da alle Produkte mit dem Helikopter eingeflogen werden. Die Bergstation ist auch gleichzeitig der Treffpunkt, falls man sich einen Guide für seine Tour gebucht hat. Ebenso hat man in der Bergstation die Möglichkeit, sich das nötige Kletterequipment auszuleihen, falls man keine eigene Ausrüstung hat.
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Endlich geht es hinauf in Richtung des Gipfels vom Kebnekaise
Von der Bergstation aus beginnt nun der aufregende Teil der Wanderung. In den vorangegangenen 5 Stunden von Nikkaluokta zur Bergstation konnten wir bereits schöne Ausblicke auf die vor uns liegenden Berge erhaschen. Jetzt geht es aber endlich hoch hinaus. Für die komplette Wanderung, also den Hin- und Rückweg, sollte man definitiv 8 bis 12 Stunden einplanen. Durch die nördliche Lage, kann man die Wanderung im Sommer trotzdem in aller Ruhe angehen, da die Sonne zu dieser Zeit gar nicht erst untergeht.
Bezüglich der Reisezeit empfehlen sich definitiv die Sommermonate Juni, Juli und August. Während der Juli zumeist die höchsten Temperaturen aufweist, muss man aber auch mit fast doppelt so viel Niederschlag rechnen. Meiner Meinung nach ist der Juni daher empfehlenswert und man kann seine Reise mit einem Mittsommerfest Ende Juni verbinden.
Es gibt zwei offizielle Routen auf den Kebnekaise, welche unterschiedliche Herausforderungen bieten. Vor Beginn der Wanderung sollte man sich über diese verschiedenen Möglichkeiten genauer informieren und die jeweils passende Ausrüstung vorbereiten. Die West Route ist die „familienfreundlichere“ Tour im Vergleich zur Ost Route, da man ohne Klettergurt und ohne Steigeisen auskommt.
Man trifft auf der West Route viele andere Wanderer und sieht auch Familien mit Kindern im Grundschulalter, welche diese Tour hervorragend meistern. Die zurückzulegende Distanz ist hier zwar ein wenig länger, aber man hat dafür weniger steile Passagen. Auf der Karte (siehe unteres Bild) kann man die Route schön nachvollziehen. Man sieht, dass der Weg in einem Bogen um die steilen Passagen führt, bevor man schließlich den Südgipfel des Kebnekaise erreicht.
Entlang der West Route auf den Kebnekaise
Im ersten Segment führen schmale, ausgetretene Pfade vorbei an hohen Büschen, bis man schließlich den Fuß des Toulpagorni erreicht. Von hier aus fängt man an, die ersten richtigen Höhenmeter hinter sich zu bringen. Etwas später erreicht man einen Schmelzwasserstrom, der überquert werden muss. Diese kann man – abhängig von den vorherigen Temperaturen – entweder mit ein paar kleinen Sprüngen überqueren oder es sind nasse Füße garantiert…
Hat man die Strauchgrenze überwunden, wandert man ausschließlich auf Gestein und Geröll. Nun erreicht man ein kleines Plateau, von dem aus man entweder weiter Richtung Kebnekaise läuft oder auf den Toulpagorni klettern kann. Ich empfehle, zunächst auf den Kebnekaise zu steigen, da diese Strecke durchaus anspruchsvoll ist. Wer nach dem kräfteraubenden Kebnekaise Aufstieg immer noch Kraft und Lust hat, kann den Toulpagorni vielleicht noch auf dem Rückweg bezwingen.
Wenn man Richtung Kebnekaise weiter geht, kommt nun das erste richtig anstrengende Segment. Große Findlinge und loses Geröll an einem steilen Hang bedürfen Vorsicht und bedingen festes Schuhwerk. Rote Punkte entlang des leicht ausgetretenen Pfades helfen sehr bei der Orientierung. Es ist empfehlenswert, sich an diese Route zu halten, um sich nicht unnötigen Gefahren auszusetzen. Oben angekommen, findet man ein Plateau, welches mit tausenden kleinen Steinhäufchen geschmückt ist. Zu diesem Zeitpunkt hat man die meisten Höhenmetern bereits hinter sich gelassen und ist schon fast auf Augenhöhe mit dem Kebnekaise. Allerdings bemerkt man nun auch, dass man erst noch einmal in ein Tal absteigen muss, bevor man den Gipfel erreicht.
Dem Gipfel des Kebnekaise und somit dem Ziel ganz nahe
Hat man den Talboden erreicht, geht es nun direkt auf der anderen Seite des Tals wieder nach oben. Relativ sanft schlängelt sich der Pfad immer weiter auf Geröll und Findlingen entlang, bis man schließlich am Fuß des schneebedeckten Gipfels steht. Auf den letzten hundert Höhenmetern kann man schon den spektakulären Rundumblick erahnen.
Oben, auf dem Südgipfel, angekommen, kann man endlich den atemberaubenden Ausblick genießen. Wir haben es geschafft und den höchsten Gipfel Schwedens erklommen. Was für eine spannende Tour… Das diese Tour sehr beliebt ist, merken wir spätestens hier oben am Gipfel. So kann es einen Moment dauern, bis das obligatorische Beweisbild vom Gipfel gemacht werden kann. Der langgezogene Gipfel bietet nur etwa zwei Meter Platz in der Breite und hat fast vertikale Steilwände an beiden Seiten.
Da hier keinerlei Absicherung zu den Seiten gebaut wurde, sollte man sehr vorsichtig sein. Auch ist es wichtig sich gegenseitig genügend Platz und Zeit zu lassen.
Aus einer technischen Perspektive ist die West Route tatsächlich weniger herausfordernd. Ein Muss sind aber in jedem Fall wetterfeste Wanderschuhe, genügend Proviant, ausreichend Wasser und wetterfeste Kleidung. Mit dem richtigen Training ist diese Route auch für Familien (mit Kindern im Schulalter) geeignet. Für Menschen mit Höhenangst stellt vor allem der Gipfel eine mögliche Herausforderung dar.
Die Ost Route ist eine besondere Herausforderung
Wer allerdings die Herausforderung sucht und gerne angeseilt in einer Felswand liegt, sollte sich an der Ost Route versuchen. Hier kraxelt man mit Steigeisen und Axt über das Eis. Man spart nicht nur Zeit und Distanz, es ist auch die perfekte Möglichkeit, um sich als Anfänger an dieses professionelle Equipment zu gewöhnen. Hat man diese Tour erst einmal gemeistert, stehen einem viele weitere spannende Klettertouren zur Auswahl. Allerdings sollte man sich vorab immer genauestens Informieren, wie anspruchsvoll diese Strecken sind.
Genau wie bei der West Route, startet man von der Bergstation Richtung Toulpagorni, man biegt aber relativ früh rechts ab und wandert eine weite and relativ flach ansteigende Bergwand hoch. Ab einer gewissen Höhe ist alles Gestein von einer dicken Eisschicht bedeckt und es empfiehlt sich die Steigeisen anzuschnallen. Diese kann man sich bequem in der Bergstation ausleihen, wenn man keine eigenen Eisen hat. Nachdem man ein weitläufiges Hochplateau in Richtung des Kebnekaise Gipfels überquert und in mitten des Björlings Gletschers steht, sollte man langsam die Stahlseile der kommenden Felswand anvisieren.
Tipp: Um die Kletterpassage zu erklimmen, sollte man seinen Hüftgurt bereits auf dem Plateau anziehen. Direkt an da Felswand steht einem nur sehr wenig Platz zur Verfügung.
Die Felswand ist relativ leicht zu meistern, trotzdem sollte man nicht zu leichtsinnig an die Sache herangehen. Die richtige Schrittfolge beim Umschnallen der Karabiner sollte vorher erlernt werden, damit man zu jedem Zeitpunkt abgesichert ist.
Nach wenigen Minuten erreicht man nun den Fuß des Kebnekaise Gipfels, welcher bereits in der West Route beschrieben wurde. Auf dieser Route kann man sehr viel Zeit sparen (im Vergleich zur West Route). Außerdem kann man seine Kletterkenntnisse auffrischen oder ersten Erfahrungen mit dem Equipment sammeln. Während die West Route auch für Wanderer ohne Guide machbar ist, sollte man die Ost Route ohne entsprechende Kenntnisse und Erfahrungen nicht alleine gehen. Besonders dann, wenn dies die erste Gletscher- oder Steilwand-Erfahrung ist. Besser ist es, sich in diesem Fall einer Wandergruppe anzuschließen oder einen Guide zu buchen.
Weitere spannende Aktivitäten in dieser Region
Neben diesen zwei fantastischen Wanderrouten kann man in der Region rund um die Bergstation auch noch viele weitere Dinge unternehmen. Mein persönlicher Favorit ist hierbei das Erkunden einer natürlichen Eishöhle, welche jedes Jahr etwa im Juli aufbricht.
Die Höhle liegt inmitten einer steilen und vereisten Gletscherzunge, die man ausschließlich mit passenden Steigeisen und Eiskletterequipment erreichen kann. Diese Tour ist daher nicht für Anfänger geeignet. Selbst die richtige Gletscherzunge zu finden ist nicht leicht, da man den Höhleneingang vom Tal aus nicht sehen kann. Genaue Informationen und alle Voraussetzungen für diese Klettertour sollte man unbedingt im Tourismusbüro vor Ort erfragen.
Im Tal rund um die Bergstation haben die Eiszeiten und die früheren Gletscher viele verschieden große Findlinge liegen gelassen. Diese sind durch den Frost aufgeplatzt und eignen sich heute als hervorragender Spielplatz zum Bouldern.
Neben dem Kebnekaise gibt es noch weitere imposante Gipfel, zu denen ich leider keine offiziellen Namen finden konnte. Von der Bergstation aus kann man aber relativ gut abschätzen, welcher der umliegenden Berge eine Gipfeltour wert ist. Auf unseren zwei Wanderungen zum Kebnekaise, haben wir jeweils mindestens einen weiteren, der umliegenden Berge bestiegen. Auch diese Touren sowie die Ausblicke von den jeweiligen Gipfeln haben sich definitiv gelohnt.
Der Kebnekaise ist wirklich ein ganz besonders Erlebnis! Eine Alternative zur Besteigung im Sommer ist auch eine Besteigung im Frühjahr, wenn noch genügend Schnee liegt, so dass man den ganzen Weg auf den Ski machen kann.
Wir haben das vor einigen Jahren von Singi aus gemacht, was ein wahnsinnig tolles Erlebnis war! Wir hatten aber auch unglaublich Glück mit dem Wetter. Man braucht schon die richtige Ausrüstung und ein wenig Erfahrung. Aber sicherlich nicht anstrengender als im Sommer, auf jeden Fall nicht, wenn es am Ende auf den Ski bergab geht!!!
Viele Grüße aus Schweden.
Hartmut
Hei Hartmut,
das klingt in der Tat nach einer unglaublich schönen und sicher unvergesslichen Tour. Wenn ihr dann auch noch so ein Glück mit dem Wetter hattet, ist es sicher ein perfektes Erlebnis gewesen, um das wir euch auch etwas beneiden… 🙂
Vielleicht habt oder hättet ihr Lust, über diese Tour hier in einem kleinen Gastbeitrag zu berichten. Unsere Leser und auch wir wären sehr dankbar 🙂
Liebe Grüße nach Schweden,
Conny und Sirko
Vielen Dank für das Vertrauen! Im Moment schaff ich es noch nicht einmal auf unserem Blog genügend Beträge zu schreiben… aber wer weiß, vielleicht komme ich mal auf euer Angebot zurück.
Weiterhin viel Spaß im Norden!
Hartmut
Hei Hartmut,
vielen Dank für deine schnell und nette Antwort. Jaaaaa – wir kennen dieses Thema bestens und irgendwie fehlt uns auch immer die Zeit, um endlich einmal alles zu schreiben, was wir möchten und eigentlich auch müssten…
Wir wünschen dir / euch in jedem Fall weiterhin viel Erfolg in eurem Projekt und senden liebe Grüße,
Conny und Sirko